Als Michaela Reitterer das Hotel ihrer Eltern nahe der Stadthalle in Wien übernahm, war der Name, der sie bei den Suchmaschinen alphabetisch weit nach hinten reihte, nicht ihr einziges Problem. Das konnte die Reisebüro-Spezialistin mit der Umbenennung in „Boutiquehotel Stadthalle“ leicht lösen. 39 Zimmer boten aber kurz nach der Jahrtausendwende kaum mehr die Basis für ein rentables Wirtschaften. Den Mut zur Vergrößerung hielten viele in Zeiten des Preisdumpings in der Wiener Hotellerie und in Anbetracht der Lage in einer Nebenstraße beim Westbahnhof für die Bereitschaft zum Harakiri.
„Dafür brenne ich“, sagt sie in einem Interview. „Ich bin Unternehmerin mit Leib und Seele und habe nach wie vor großen Spaß daran. … Ich bin zielstrebig und freue mich über die großen und kleinen Erfolge im Leben. Mir sind der Blick über den Tellerrand – privat wie beruflich – und meine Unabhängigkeit wichtig.“
Die Zielstrebigkeit, mit der Michaela Reitterer ihr Hotelprojekt verfolgt hat, beeindruckt genauso wie die Konsequenz, mit der sie sich dem Thema „Nachhaltigkeit“ genähert hat. Da messen die Gäste ja gerne mit zweierlei Maß: Die Mülltrennung, die zuhause gelebt wird, steht beim Hotelaufenthalt dann in Widerspruch zu Bequemlichkeit, Luxus und zumindest dem Wunsch nach dem immer gefüllten Frühstücksbuffet, wo es dann egal ist, woher die Köstlichkeiten kommen.
Michaela hat ihr Hotel gemeinsam mit der österreichischen Designerfirma Garbarage (www.gabarage.at ) gestaltet. Aus Alt mach Neu, statt Dinge wettzuwerfen, baut Garbarage kunstvolle Designermöbel, für Michaela Reitterer auch Hotelausstattung. Da wird dann schon eine alte Tür zum Tisch im Frühstücksraum, Bücher, die sonst vernichtet worden wären, werden zu Tischfüßen im Café. Zum Nachdenken regen Flip-Flops an, die sie selbst, als Strandgut angeschwemmt vom Meer in Thailand sie selbst gesammelt hat und daraus ein Kunstwerk in einem der Zimmer ihres letzten Projekts gestalten lassen: Die 17 Ziele der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sind in den Zimmern des Erweiterungsbaus künstlerisch thematisiert und umgesetzt. Dazu trägt Fassadenbegrünung zur CO2-Neutralität genauso bei wie Photovoltaik und Wärmepumpen, die das Grundwasser nützen, mit großen Tanks, die wie Durchlauferhitzer funktionieren.
Wenn sie ihre Konzepte erklärt und ihre Pläne für die Zukunft, man sieht es in jedem Satz, wie sehr sie ihre Konzepte lebt. Die zwei Auszeichnungen von Skal International und von Skal Europa, die sie dafür erhalten hat, sind nur kleine Bausteile in ihrer Lebens-Story und haben kaum Platz neben den vielen anderen Würdigungen. Aber es sind Auszeichnungen für ein touristisches Leuchtturm-Projekt, das noch lange nicht fertig ist. Michaela, Skal Austria ist stolz auf dich!
Franz Heffeter